William Wilkie Collins – Die Frau in Weiß
Originaltitel: The Woman in White
Meine Bewertung: 9,5/10
Dieses Buch hat mich in seinen Bann gezogen!
Ein Buch, das vor über 150 Jahren geschrieben wurde und den Leser immer nocht mit einer erstaunlichen Modernität in das viktorianische England führt, in die Labyrinthe eines schrecklichen Komplotts, eine Verschwürung die man beinahe machiavellistisch nennen könnte.
Doch sprechen wir zunächst über den Plot:
Es ist Herbst, wir schreiben das Jahr 1849. Der junge Lehrer Walter Hartright wird engagiert um zwei Frauen der guten Gesellschaft im Zeichnen und insbesondere in der Aquarell-Malerei zu unterrichten. Er nimmt dieses Engagement an, wenn auch zögerlich.
Am Vorabend seiner Abfahrt nach Limmeridge House, wo die Schwestern leben, begegnet er durch einen seltsamen Zufall einer jungen Frau, die ganz in Weiß gekleidet ist und auf der Straße herumirrt, alleine in der Nacht. Diese Begegnung hinterlässt ihm einen eigenartigen Eindruck und verfolgt ihn in seinen Gedanken.
Der junge Lehrer erreicht nun also Limmeridge House, wo er seine zukünftigen Schülerinnen kennenlernt. Schon bei seiner Ankunft und auf den ersten Blick verliert er sein Herz an eine der jungen Frauen, Laura Fairlie. Doch diese wunderbare junge Frau ähnelt auf erstaunliche Weise der Frau in Weiß!
Die zweite Schülerin ist Marian Halcombe, Lauras Halbschwester, eine junge, intelligente Frau mit schneller Auffassungsgabe mit der ihn schon bald eine tiefe Freundschaft verbindet.
Ihrerseits verliebt sich auch Laura in ihren Zeichenlehrer, doch beide verbieten sich jeglichen Kontakt: Der soziale Unterschied untersagt ihnen tatsächlich auch nur auf eine gemeinsame Zukunft hoffen, ja nur von ihr träumen zu können.
Das umso mehr da Laura mit Sir Percival verlobt ist.
Ebendieser Verlobte wird auch auf Limmeridge House angemeldet, und um Laura nicht in eine unangenehme Lage zu bringen, verlässt Walter Hartright seine Stelle kurz vor Ablauf des Vetrages, bleibt jedoch weiterhin in Kontakt mit Marian.
Sir Percival erreicht nun Limmeridge House und drückt seinen Wunsch aus, so schnell wie möglich zu heiraten, wenn möglich noch vor Ende des Jahres. Laura erschaudert, denn wenn sie zuvor nicht gegen diese Bindung war, so liebt ihr Herz nun einen anderen, doch sie ist fest entschlossen ihr Wort nicht zu brechen.
Marian beginnt die wirklichen Motive des Mannes zu hinterfragen, der bald ihr Schwager sein wird: Ist es nicht eher Lauras Geld, welches ihn anzieht?
Sir Percival schafft es, einen sehr zu seinem Vorteil verfassten Hochzeitsvertrag zu verfassen und schließlich wird die Hochzeit tatsächlich noch vor Jahresende gefeiert, wie er es sich wünschte, und das Paar bricht zu einer Hochzeitsreise ins Ausland auf.
Doch bei deren Rückkehr verstärkt sich Marian Halcombes schlechtes Gefühl. Irgendetwas stimmt nicht und Sir Percival hat ein cholerisches Verhalten, er bemüht sich irgendeine Unterschrift von seiner Frau zu erhalten…
Dies ist also der Beginn dieses wunderbaren Romans.
Die Handlung dreht sich allgemein um ein häusliches Drama, ein Komplott das von dem Ehemann gegen seine Frau geschmiedet wurde, eine Gefahr die man schon auf den ersten Seiten spürt.
Ein schreckliches Geheimnis umgibt auch die Frau in Weiß, deren Name in Wirklichkeit Anne Catherick ist, eine junge, geistig zurückgebliebene Frau die jedoch scheinbar den Schlüssel zu dem Mysterium besitzt.
Diese Frau in Weiß taucht immer wieder in der Handlung auf und wird immer mehr in die Erzählung selbst verwickelt. Was kann denn die Verbindung zwischen Sir Percival und dieser jungen Frau sein?
Die beiden Schwestern, Laura und Marian, werden immer mehr in Sir Percivals Macht stehen und trotz all ihrer Bemühungen will es ihnen nicht gelingen sich aus dem Spinnennetz zu befreien das geschickt um sie herum gewoben wurde.
Marian beginnt um ihre Schwester zu fürchten.
Der Roman ist in der Form mehrerer Erzählungen verfasst, aus verschiedenen Gesichtspunkten, wodurch der Leser immer direkter Zeuge der Ereignisse ist, sei es nun durch die augen des jungen, verliebten Zeichenlehrers, der Schwester, des Anwalts oder auch jeder anderen beteiligten Person.
Wenn man auch rasch die Beweggründe der Protagonisten errät, so weiß man nichts von den tatsächlichen Plänen des Sir Percival und dessen guten Freundes, dem Grafen Fosco, ein gefährlicher Mann da er sehr intelligent ist; doch die Gefahr die die junge und unschuldige Laura bedroht ist so fühlbar, dass wir nur noch um sie zittern können.
Und das Netzt zieht sich immer mehr zusammen, die Gefahr rückt näher, bis….
Nun, das werden Sie dann sehen, wenn Sie es lesen.
Die Handlung, die auf den ersten Blick simpel erscheint, ist packend, man hat den Eindruck einen richtigen Kriminalroman zu lesen, wir halten die Luft an wenn jene Sache aufgedeckt wird, oder wenn jene Person nicht locker lässt.
Ich wurde selten so von einem Buch überrascht. Eine einfache Geschichte die den Herzrhythmus merklich ansteigen lässt. Und doch gibt es hier keine Gewalt, kein Blut! Man darf nicht vergessen, dass es sich um einen Roman handelt der älter als 150 Jahre ist!
Auch der Stil ist wundervoll! Die Romanfiguren werden so feinfühlig beschrieben, dass ich überzeugt bin ich könnte sie wiedererkennen wenn ich ihnen auf der Straße oder bei einer Feier begegnen würde!
Ich sehe die zarte Laura vor mir wie auch deren Schwester, so mutig und treu, und ich sehe den abscheulichen Graf Fosco und seine boshafte Frau, den reizbaren Sir Percival, und den tiefverliebten Hartright…
Die Feder des Autors ist leicht aber genau, die Schrift ändert sich unmerklich mit den Variationen in der Erzählung, jede Zeile berücksichtigt den Charakter seines Autors.
Das Gesamtwerk ist ein Roman dem man nichts vorwerfen kann. Die Spannung ist spürbar, man fühlt wie sie sich um Laura aufbaut, man kann sich nicht vorstellen wie sie dem Plan ihres Mannes entgehen kann.
Ein spannender, fesselnder, herzaufreibender Roman der von einer sicheren und geschickten Hand geschrieben wurde!
Noch einmal kann ich nur feststellen, dass das Ende des 19ten Jahrhunderts (hier wohl eher die Mitte, aber okay) eine der größten Epochen der Literatur darstellte!
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