Vanessa Diffenbaugh – Die verborgene Sprache der Blumen

OriginaltitelThe language of Flowers

Meine Bewertung: 9/10

Ein « COUP DE CŒUR* »! Ich hatte dieses Buch vollkommen unterschätzt und es hat lange in meinem Regal verweilen müssen ehe ich es öffnete!

Aber da muss man mich einfach verstehen: Dieses Titelbild, ganz in Pastell, dann der Titel und die Beschreibung auf dem Cover, ich sagte mir nur, oje, das ist nichts für mich, aber es war nun mal eines der zu lesenden Bücher.

Dann habe ich es aufgeschlagen … und schon auf der ersten Seite wusste ich, dass ich es verschlingen würde! Die Geschichte ist traurig, aber der Schreibstil locker und fröhlich.

Der Plot:

Victoria Jones ist gerade achtzehn Jahre alt geworden. Sie ist eine Waise, zumindest auf dem Papier, denn ihre Mutter hat sie nach ihrer Geburt verlassen. Sie ist in Waisenhäusern aufgewachsen und ihr oftmals schlechter Charakter, ihre Ausfälligkeiten, ihre extremes Misstrauen, ihre Wutanfälle, all dies hat dazu beigetragen, dass sie nie adoptiert werden konnte. So hat Victoria nie etwas anderes erlebt als staatliche Institutionen, in welchen sie ihren harten und lieblosen Alltag mit anderen schwierigen Kindern geteilt hat.

Mit Achtzehn verlässt sie die letzte Institution ohne jegliches Bedauern; sie wird nun als mündig betrachtet, muss von nun an für sich selbst und hat nur drei Monate um eine Arbeit zu finden.

Allerdings hat plant sie keineswegs sich einen Job zu suchen, sie hat so oder so keinerlei Ausbildung. Was sie möchte, ist im Park leben, inmitten der Blumen, die sie so sehr liebt, deren Bedeutung sie liebt, welche für Victoria wirklicher in ihrem Ausdruck sind als Worte. So richtet sie sich in einem öffentlichen Park ein kleines Blumenbeet ein in welchem sie sich ein gemütliches Plätzchen zum Leben einrichtet.

Doch das Leben einer Obdachlosen ist nicht ganz so einfach, und das muss sie schon nach ein paar Tagen erkennen. Die Blumen bringen sie auf eine Idee, und so versucht Victoria ihr Glück bei einer Blumenhändlerin, Renata, welche in dem jungen Mädchen ein erstaunliches Talent erkennt. Victoria hat die Fähigkeit, Blumensträuße von einer sehr feinen Bedeutung zu kreieren, welche die Nachricht, die sie vermitteln sollen, fast zu Wirklichkeit werden lassen. Ein leichte Ehekrise? Victoria vermag durch einen Blumenstrauß die Leidenschaft wiederzuerwecken, das ist fast wie ein Wunder, und auch wenn es sich sicherlich nur um einen Placebo-Effekt handelt stehen die Kunden Schlange.

Victoria bleibt vorsichtig, sie zeigt sich zurückhaltend, die mischt sich nicht in die Gesellschaft, sie schließt keinerlei Freundschaften.

Neben ihrem jetzigen Leben tauchen wir auch in ihre Vergangenheit ein und insbesondere in eine Zeit, die sie sehr geprägt hat und ihr die Liebe zu den Blumen und deren Bedeutung mit auf den Weg gegeben hat. Sie war noch keine zehn Jahre alt als eine Frau anbot, sie zu adoptieren. Das war ihre letzte Chance. Diese Frau, das war Elisabeth, welche dem wilden, widerspenstigen, unberührbaren kleinen Mädchen mit Geduld begegnete und welche von ganzem Herzen seine Mutter werden wollte. Wir wissen schon auf der ersten Seite, dass diese Adoption nie stattfinden wird … doch warum?

Diese zwei parallelen Handlungsläufe, die der Vergangenheit und die der Gegenwart, folgen einander, überschneiden sich, und beide sind tragisch.

Auf jeder Seite wollen wir Victoria zurufen, sie solle doch einfach vertrauen und nicht noch einmal – und noch einmal, und noch einmal – die falsche Wahl treffen. Doch Victoria schafft es nicht ihr eigenes Leben zu meistern.

Warum hat mir dieser Roman so gefallen?

Die atypische zentrale Romanfigur hat einiges dazu beigetragen, dass mir dieses Buch gefallen hat: Victoria ist verloren, sie orientiert sich immer falsch, sie wendet sich von denen ab, die sie lieben oder ihr einfach nur die Hand reichen, man kann ihr nicht vertrauen, ihre Reaktionen sind immer erstaunlich, sie läuft vor allem, was ihr helfen könnte, davon, ihre innere, tief verankerte Angst verlässt sie nie.

Gleichzeitig ist sie aber liebenswert, man möchte ihr helfen, gegen ihren Willen, aber man versteht sie nicht. Sobald ihr Leben einfacher wird und in die richtige Spur einschwenkt, macht sie alles wieder zunichte.

Wir wissen auch, dass etwas Schreckliches in ihrer Vergangenheit geschehen ist, ein Ereignis das erklärt warum sie nicht bei Elisabeth blieb, welches das kleine Mädchen von damals mit seinem letzten Fünkchen Hoffnung vollkommen zerstört hat. Eine Tragödie, über das wir mehr erfahren wollen obwohl wir es eigentlich nicht wissen möchten. Dies ist ein kleines Geheimnis, dem wir in Victorias Vergangenheit auf der Spur sind während wir gleichzeitig ein neues Drama in ihrer Gegenwart befürchten. Diese Spannung gibt dem Gesamtwerk noch etwas mehr Relief.

Um meinen Kommentar zu beenden möchte ich noch erwähnen, dass die Feder von Vanessa Diffenbaugh, die hier ihren ersten Roman liefert, sehr jung ist, wie eben der Autor, aber nicht im schlechten Sinne, denn ihr Schreibstil ist sicher nicht unreif; es handelt sich um einen lockern Stil, den man eventuell in einem Trivialroman, wie einer Chick-Lit Geschichte wiederfinden kann, sie wählt simple, fast fröhliche Worte – die vollkommen im Gegensatz zu der Handlung stehen die sie erzählen. Dadurch erhält der Roman, den ich wirklich sehr gemocht habe, einen sehr eindrucksvollen Tonfall. Ich denke, das Buch wäre nicht so fesselnd gewesen wenn es von einem Autor geschrieben worden wäre, der den Tonfall der Schrift dem Inhalt angepasst hätte.

 

Wenn man das Buch aufschlägt um eine Leseprobe zu machen kann man sich keinen Eindruck von seiner Tiefe verschaffen. Man sagt sich dann sicher „das ist flockig und leicht“. Aber wenn man dann wirklich beginnt zu lesen, wird man direkt von der Handlung mitgerissen und kann den Roman nicht mehr aus der Hand legen.

„Die verborgene Sprache der Blumen“ lehrt uns auch viel über Blumen, aber dennoch, und da muss ich drauf bestehen, auf keinen Fall handelt es sich um ein Buch „über“ die Blumen und ihre Bedeutung.

Ja, Victoria benutzt Blumen um Emotionen zu vermitteln und Gefühle auszudrücken um denjenigen zu helfen die Hilfe brauchen, ja, am Buchende finden wir ein Lexikon der Sprache der Blumen und ja, Victoria lieb diese Welt und hält sich hier gerne auf. Dennoch ist das nicht „die“ Handlung. Es ist nur der Weg, den die Romanheldin nimmt um zu kommunizieren. Die einzige Nebenwirkung ist wohl, dass man plötzlich gerne einen schönen Blumenstrauß verschenken möchte – oder geschenkt bekommen möchte – einen Strauß mit einer wirklichen Bedeutung.

Ich kann diesen Roman, der so sanft eine so raue Geschichte wiedergibt, nur wärmstens empfehlen.

Ein kleiner Tipp für die Englischlehrer unter meinen Lesern: Dies wäre ein Roman den man in der Klasse durchnehmen könnte (OK, die Jungs wären vielleicht etwas enttäuscht), da er auch in der englischen Originalfassung wirklich leicht zu lesen ist.

 

* Coup de Cœur – hier im Sinne von « Favorit », « eines der Lieblingbücher »; der französische Ausdruck entspricht einfach am besten dem, was ich meine

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