Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray
Originaltitel: The Picture of Dorian Gray
Meine Bewertung: Bei solchen Klassikern erlaube ich mir natÜrlich keine Bewertung (aber ich liebe dieses Buch)
Dieser absolute Klassiker des phantastischen Buches wurde Ende des 19ten Jahrhunderts verfasst, zu der großen Zeit der Literatur, der „grande époque“ gewissermaßen, in der viele Vorreiter (Vorschreiber??) der „modernen“ Bücher gelebt haben (wie z.B. Bram Stoker mit Dracula oder Mary Shelley mit Frankenstein).
Die Handlung:
Das Bildnis des Dorian Gray ist ein beunruhigendes Buch. Die zentrale Romanfigur ist ein junger, noch naiver Mann, der von der schweren Last der Konsequenzen befreit wird, die seine Taten mit sich bringen, wodurch er der dunklen Seite seiner Persönlichkeit freien Lauf lassen kann.
Die Geschichte ist wohl jedem bekannt: Der Maler Basil beendet das Porträt des Dorian Gray, einem Mann von außerordentlicher Schönheit, der aber noch unschuldig und leicht zu beeinflussen ist. Lord Henry, ein Freund des Künstlers besucht ihn, wird durch die Perfektion des abgebildeten Dorian Gray neugierig und möchte das Modell kennenlernen.
Lord Henry ist ein Mensch der das Leben in vollen Zügen geniesst und sich nicht im geringsten um die Gefühle anderer kümmert. Er spielt gerne – und Dorian Gray, der gerade erst der Jugend entsprungen ist, scheint ihm ein geeignetes Studienobjekt zu sein.
In diesem Moment kommt Dorian selbst und begegnet so Lord Henry. Bewundernd lauscht er diesem Mann von Welt und wird sofort von dessen Bildung, dessen Intelligenz und Erfahrung betört. Und so wird er ihm folgen.
Wie man es erwarten kann, wird Lord Henry seinen schlechten Einfluss auf Dorian Gray ausüben. Letzterer ist nun immer mehr davon überzeugt, dass das Wertvollste die Schönheit und Jugend ist; dass seine Schönheit und seine Jugend es ihm erlauben, sich einige Freiheiten zu nehmen, dass er „mehr“ verdient.
Eines Tages betrachtet er so sein so perfekt gelungenes Porträt und bewundert seine eigene Schönheit. Doch als ihm der Gedanke kommt dass er selbst altern wird, dass seine Schönheit welken wird, und dass dieses Bild ihn im Alter mit seinem vergangenen Glanz verhöhnen wird, wenn er faltig und verwelkt vor ihm stehen wird. Und so wird er den Wunsch aussprechen, der sein Verderben ist: Wenn doch nur dieses Bildnis an seiner statt altern könnte.
Er vergisst diesen Moment der Schwäche und fährt mit seinem lockeren Leben fort. Er verliebt sich in eine Schauspielerin, Sybil, deren Kunst er in Romeo und Julia bewundert. Hingerissen von dieser frau hält er um ihre Hand an. Doch Sybil, die ebenfalls tief verliebt ist, wird, nun da sie die wirkliche Liebe kennt, ihr Talent verlieren. Enttäuscht und verdrossen verlässt Dorian die junge Frau ohne jedes Bedauern. Für ihn lag Sybils Schönheit in ihrer Schauspielkunst. Sybil ist am Boden zerstört, doch Dorian empfindet keinerlei Skrupel.
Er steht nun in seiner Wohnung, wie so oft, vor seinem Porträt und bewundert sich selbst. Doch er hat plötzlich den Eindruck als sei irgendetwas anders, in dem Bild. Etwas im Gesichtsausdruck des abgebildeten Dorian. Vielleicht ein leicht hämischer Zug in seinem Lächeln.
Als er nun seinem weiter sein Lotterleben betreibt muss er klar erkennen: Sein Wunsch wurde erfüllt. Das Bildnis altert an seiner Stelle. Aber das ist nicht alles: Es altert nicht nur für ihn, sondern trägt auch die Spur jeder schlechten Tat, jeder Grausamkeit von Dorian.
So lebt Dorian nun befreit von allen Konsequenzen – und muss diesen dennoch Tag für Tag entgegentreten.
Schon bald muss er das Bildnis verbergen, damit niemand das schreckliche Gesicht zu Auge bekommt welches dort nun zu sehen ist, ein Abbild seiner Seele und seiner Taten.
Ein beunruhigender Roman
„Das Bildnis des Dorian Gray“ ist ein Klassiker der eine spürbare Spannung schafft.
Die Handlung wird unglaublich geschickt eingefädelt.
Mit kleinen Bemerkungen schafft es Oscar Wilde ein unbehagliches Gefühl bei seinem Leser hervorzurufen, eine Unruhe. Man kann Dorian verstehen und dennoch schüttelt man den Kopf vor seine Naivität und seiner Reaktionslosigkeit.
Der Autor lässt uns hilflos zusehen, wie der junge, unschuldige Mann der in einem Schlüsselmoment seines Lebens ungünstig beeinflusst wurde – als er ein junge Erwachsener ohne jede Erfahrung war – zu einem bösartigen, hässlichen Mann verfällt. Er verliert jede Verbindung mit der Wirklichkeit, er vergisst seine eigenen Überzeugungen um sich den Standpunkt, der ihm geschickt von Lord Henry vorgelegt wird, eigen zu machen.
Wir begleiten Dorian in seinem Ritt in die Hölle, der von Lord Henry spöttisch beobachtet wird. Wir möchten ihm eine Warnung zurufen, ihn aufhalten, ihn anschreien er möge doch nicht hinhören und sich wieder fangen, einfach nachdenken – doch Dorian fühlt sich so leicht und frei, dass er sich nicht von dem Dandy lösen kann der ihm da Nachtleben gezeigt hat.
Von jeder Verantwortung befreit handelt Dorian nach seinen eigenen Wünschen, wobei sein engelhaftes Gesicht so manchen in die Irre führt.
Was in diesem Roman besonders beunruhigend ist, das ist dass alles uns, auf die eine oder andere Weise, zur Realität zurückführt.
Der Wunsch, den Dorian vor seinem Bildnis zum Ausdruck gegeben hat, wir hätten ihn aussprechen können. Wie viele sind es, die sich bemühen den Lauf des Lebens und des Alterns aufzuhalten, und das mit jeder erdenklichen Methode… Warum also nicht auf diese Weise?
Man fragt sich dann selbst: Was würde geschehen, wenn wir die Konsequenzen unserer Taten nicht mehr tragen müssten?
Hier steht auch weiterhin diese Bedrohung im Raum, dass ein Mann durch reine Beeinflussung einen anderen, der einen schwächeren Charakter hat, beeindrucken und überzeugen kann… Und so blicken wir um uns und beobachten all die „Dorian Gray“ und erschrecken uns, denn wie viele junge Menschen (oder auch weniger junge) denken nicht lange nach bevor sie einem charismatischen Menschen folgen, dessen Worte so richtig klingen?
Wie viele Menschen beachten nur das „Bild“ das sie sehen wenn sie einem Mitmenschen in der virtuellen Realität begegnen und schenken ihm jeden Glauben – ohne zu wissen wer wirklich hinter dieser Fassade steht?
Man merkt schnell, dass man sich doch noch leicht von der äußeren Erscheinung überzeugen lässt. Ein gut gekleideter Mann mit Engelsgesicht kann nicht schlecht sein… und doch sehen die Kriminellen nicht immer aus wie einäugige Piraten. Obwohl wir es wissen, lassen wir uns immer wieder darauf ein.
Dies ist einer dieser Romane, der eine tiefe Spur in seinem Leser lässt die noch lange nach der Lektüre vorhanden bleibt. Ein Unbehagen sogar, denn dies ist nicht nur ein simpler Roman, er berührt auch etwas tief in uns, wir stehen hier dem Engel und dem Teufel gegenüber, die beide in uns wohnen.
Dies ist also ein wirklicher Klassiker – der dabei aber äußerst modern und aktuell ist und wie ich schon sagte, wer bin ich, dass ich einen Klassiger „benote“? Das überlasse ich jedem Leser selbst!
Eines ist sicher: Die Idee dieses Buches war phänomenal (wir dürfen nicht vergessen, dass es im 19ten Jahrhundert geschrieben wurde) und wurde dann mit dem unglaublichen Talent des Oscar Wilde verwirklicht. Ein Buch, das noch in der Gegenwart ebenso aktuell ist wie es vor über einem Jahrhundert war.
Danke Eden, das ist wirklich sehr schön zu lesen. Danke für Deine schönen Gedanken! Das haben wir damals zusammen in der Schule im Englischunterricht gelesen, wenn mich nicht alles täuscht…. Ich bin sehr beeindruckt! Kann man hier auch Sterne für deine Rezessionen geben? Das wäre auf jeden Fall eine volle Punktzahl!
Hallo Mauro, ja das war tatsächlich ein Klassiker des Englischunterrichts… Noch kann man „nur“ einen Kommentar zu meinen Beiträgen hinterlassen, worüber ich mich natürlich immer sehr freue! Doch schon bald wird man auch die einzelnen Beiträge „liken“ können. Ich bin ja noch im Aufbau… Danke für Deinen Kommentar – und hoffentlich bis bald, Eden