Michael Connelly – Der fünfte Zeuge (Mickey Haller)
Originaltitel: The Fifth Witness
Meine Bewertung: 8/10
Dies ist der vierte Roman um die Figur des Anvalts Mickey Haller (der mit „Der Mandant“ eingeführt wurde). Es ist vollkommen unnötig die vorherigen Bücher mit Mikcey Haller gelesen zu haben, sollte dies also Ihr erster Roman mit dem Anwalt sein, so ist das gar kein Problem.
Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass Sie sich danach sicherlich auf die vorherigen Romane, und insbesondere auf „Der Mandant“ (zu dem ich sehr rate) stürzen werden.
Ich möchte hier kurz für diejenigen, die dies noch nicht wissen, erwähnen, dass ich persönlich eher „Mickey Haller“ als „Harry Bosch“ bin.
Zur Handlung:
Mickey Haller, ein brillante Rechtsanwalt, hat seit einiger Zeit die Strafrechtsprozesse hinter sich gelassen, da diese ihm nicht genug Geld einbringen. Er hat sich nun dem bei weitem lohnenderen Markt der Immobilienpfändung zugewendet.
Denn wer hat nicht von der furchtbaren Krise gehört, welche die USA erschüttert hat, mit all den Krediten die nicht zurückgezahlt werden konnten nachdem der Immobilienmarkt drastisch abstürzte?
Und so kommt es nun dass Mickey Haller in Zivilprozessen arbeitet, um die Eigentümer gegen die drohende Pfändung ihrer Güter zu schützen.
Doch eine seiner Klientinnen wird ihm die Möglichkeit geben, sich noch einmal einem Kriminalfall zu widmen: Lisa Trammel, eine junge, alleinstehende Mutter die mit ihrer Bank kämpft, welche versucht ihr Haus zu versteigern. Ihr Ehemann ist weg, sie hat ihre Arbeit verloren und wehrt sich nun heftig gegen die Pfändung ihres Hauses. Sie stürzt sich im Übrigen auch mit Körper und Seele in den allgemeinen Kampf gegen die Immobilienpfändungen und besonders gegen ihre Bank. Sie hat durch ihre öffentlichen Demonstrationen und Aktionen in diesem Gebiet sogar einen gewissen Ruhm erreicht.
Eines Tages ruft sie Mickey Haller an du bittet ihn um Hilfe: Sie wurde wegen Mord verhaftet. Und das Opfer ist genau der, der an all ihrem Unglück schuld ist, nämlich der Banker, Mr. Bondurant.
Mickey Haller ist natürlich erfreut darüber, wieder einmal in seinem Lieblingsgebiet arbeiten zu können auch wenn er so seine Bedenken hat: Nicht nur, dass seine Klientin ziemlich unsympathisch ist und recht zweifelhafte Freunde hat, nein, vor allem aber scheinen die Beweise erdrückend.
Doch für Mickey Haller geht es nicht darum, von der Unschuld seines Klienten überzeugt zu sein, sondern seine Arbeit zu tun.
Er stürzt sich also mit seinem Team in die Vorbereitung des Prozesses, dann in den Prozess selbst…
Sehr schnell erkennt Mickey Haller, dass der Banker, Opfer des Mordes, nicht ganz weiß war und dass die Immobilien-Versteigerungen die er verwaltete nicht unbedingt immer alle Regeln einhielten, doch ob das ausreicht seiner Klientin zu helfen? Ja, gibt ihr das, ganz im Gegenteil, nicht noch ein zusätzliches Motiv?
Als Mickey dann persönlich angegriffen wird und im Krankenhaus landet beginnt er sich zu fragen ober nicht dabei ist, den schlafenden Tiger zu wecken…
Eine sorgfältige Arbeit und ein brillanter Gerichts-Krimi
Wie immer ermöglicht Michael Connelly es uns, Mickey Haller während des gesamten Verfahrens zu verfolgen, von den Vorbereitungen bis in den Gerichtssaal.
Wir beobachten die Vorarbeit der Akte, die Überlegungen zur besten Strategie, die Auswahl der Jury, die Verhöre und Kreuzverhöre, wir sehen wie Mickey Katz und Maus mit dem Staatsanwalt spielt…
Der Gerichtssaal wird uns immer vertrauter, das amerikanische Strafverfahren lebt vor unseren Augen auf (man darf hier natürlich nicht vergessen, dass es sich um ein Verfahren in den USA handelt und dass diese sehr sehr anders sind als ein Prozess vor dem deutschen Schwurgericht).
Wieder einmal beweist Mickey Haller, dass er ein äußerst raffinierter Anwalt ist. Wir können nicht umhin, seine Bluffs zu bewundern, seine Art vor Gericht zu pokern, wie auch seine Geschicklichkeit mit der er die Gegenpartei aus dem Konzept bringt. Wir sehen auch ihn selbst durch die „überraschenden“ Gegenzüge der Gegenpartei vollkommen aus der Bahn geworfen und fragen uns wie er das wieder richten kann. Kurzum, ein fesselnder Prozess.
Parallel hierzu lernen wir ein klein wenig sein Privatleben kennen und begegnen auch, auf einer kleinen Feier, Harry Bosch (sein Halbbruder und eine der großen Romanfiguren des Michael Connelly).
Zwei Drittel dieses Romans spielen sich in dem Gerichtssaal ab (wie eigentlich alle „Mickey Haller“-Bücher), und es ist doch erstaunlich wie unglaublich spannend der Roman ist. Man hat den Eindruck zu sehen, wie die Jury-Mitglieder die Aktenseiten durchblättern, versuchen die Strategie des Staatsanwalts zu durchschauen, und man bewundert natürlich die Finesse unseres Anwalts.
Hier wird die Ermittlung durch die Zeugenaussagen vorangetrieben.
Was dann auch erstaunlich ist, ist dass wir uns der „Auflösung“ nähern obwohl wir Mickey Haller folgen, der ja nicht den wirklichen Mörder sucht sondern nur nach Beweisen forscht die es ihm ermöglichen, auf einen Zweifel an der Schuld seiner Klientin zu plädieren um diese zu retten.
Natürlich kommt es vor, dass Mickey Haller Fakten vorlegt, die dem Leser unbekannt waren, was ein wenig schade ist, denn wir stehen ja ständig an seiner Seite, doch seine Art und Weise die Befragungen zu lenken, die Kreuzverhöre zu führen, zu denken, ein Maximum aus dem kleinsten Detail zu holen ist, wie immer, einfach richtig gut gelungen.
Ja, einige Aspekte des Romas haben mir ein wenig missfallen, abre ich kann diese jetzt nicht erwähnen ohne ihnen den Spaß an der Lektüre zu mindern; dennoch kann ich eines Sagen – dies ist ein sehr guter Gerichts-Krimi, den ich einfach verschlungen habe.
Wenn Sie die vorherigen Bücher um den Anwalt gemocht haben, so zögern Sie nicht weiter!
Für diejenigen, die ihn noch nicht kenne, sollte gesagt sein, dass die Romane um Mickey Haller sich deutlich von den anderen Büchern des Autoren unterscheiden, nicht im Stil oder der Spannung, sondern in dem Aufbau des Buches selbst. Dies ist im Übrigen ein Teil des Genies Michael Connellys! Nehmen wir zum Beispiel ein Buch mit Harry Bosch: In Form und Stil wird es ein klassischer Kriminalroman sein, mit einem Polizisten auf der Suche nach einem Verbrecher.
Hier dagegen handelt es sich um die genaue Beobachtung eines Gerichtsverfahrens, um die tiefe Kenntnis der Verfahren und deren Räder, der Spielchen zwischen den gegnerischen Parteien, dem – recht relativen – Respekt des disclosure-Verfahrens (dem Enthüllungsverfahren, bei dem die Beweise die man nutzen möchte vor dem Prozess mit der Gegenpartei ausgetauscht werden müssen)… all dies gibt dem Roman seine Farbe.
Es handelt sich natürlich (auch) darum, den Schuldigen zu finden – aber das ist nicht das Ziel des Mickey Haller, sondern nur das des Autoren der seine Leser gut genug kennt und weiß, dass diese sich nicht mit dem Urteil zufrieden geben werden – nur ist seine Art und Weise zu diesem Ziel zu gelangen sehr anders.
Es ist ein Gerichts-Krimi, und ein guter.
Ich persönlich liebe die Mickey Haller Krimis!
Mickey Haller Romane :
- Der Mandant – The Lincoln Lawyer
- So wahr uns Gott helfe – The Brass Verdict (mit Harry Bosch)
- Spur der toten Mädchen – The Reversal (mit Harry Bosch)
- Der fünfte Zeuge – The Fifth Witness (Bosch erscheint auch hier kurz)
- Götter der Schuld – Gods of Guilt
- The Crossing (mit Harry Bosch)
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