Ken Follet – Der Modigliani-Skandal
Originaltitel: The Modigliani Scandal,
Meine Bewertung: 6,5/10
Dies ist einer der ersten Romane Ken Follets, und es hat mir richtig Spaß gemacht diesen faszinierenden Autor zu Beginn seiner Laufbahn zu entdecken.
„Der Modigliani-Skandal“ wurde 1976 (ursprünglich unter dem Pseudonym Zachary Stone) veröffentlicht, das heißt zwei Jahre vor seinem Durchbruch – den er durch seinen Spionage-Roman „Die Nadel“ (der tatsächlich umwerfend ist) erreichte – und der damals beinahe unbemerkt auf den Markt kam.
Ich war erfreut darüber dass Ken Follet sich für eine Neuauflage dieses „Jugendwerks“ entschlossen hat, denn selbst wenn man hier einige Schwächen finden kann, wenn man eine gewisse Unreife bemerkt, ja sogar Ungereimtheiten, so ist die Seele bereits vorhanden!
Dieser Roman wurde sehr unterschiedlich gewertet, teilweise sogar recht negativ. Was ich sehr ungerecht finde.
Ich habe einige teilweise vernichtende Kritiken gelesen – die den „Modigliani-Skandal“ mit den späteren Meisterwerken des Autoren, wie zum Beispiel „Die Säulen der Erde“ verglichen haben. Ja natürlich, dieser Vergleich ist niederschmetternd; aber egal welchen Roman Sie auch neben einen solchen Diamanten legen, er wird glanzlos und unvollendet wirken!
Wenn dieses Buch unter eine anderen Pseudonym neu verlegt worden wäre, dann wären die Kritiken sicher sehr viel positiver ausgefallen. Wenn es sich hier um einen jungen, unbekannten Autoren gehandelt hätte, dann hätten viele sicher von einem „vielversprechenden Roman“ gesprochen… !!!
Nach dieser kurzen Einleitung werde ich mich daher bemühen, nicht denselben Fehler zu machen und diesen Roman mit den späteren Werken von Ken Follet zu vergleichen, denn das wäre ungerecht. Ich werde versuchen ihn zu bewerten als sei er von Zachary Stone, einem Unbekannten, verfasst worden. Das wird unmöglich sein, ich weiß. Aber versuchen möchte ich es dennoch.
Der Plot – ein Ausflug in die Welt der Kunst
Die Handlung, die sich um das Jahr 1980 abspielt, hat mir gefallen, denn sie trägt uns in ein Milieu, welches ich nur wenig kenne, das der Kunst, der Galerien, der Künstler, der Gemälde, des Kunsthandels usw.
Dee, eine junge Kunststudentin, gerät durch Zufall in den Besitz einer unglaublichen Information: Es könnte einen noch unbekannten Modigliani geben, ein Werk welches sich von dem Rest der Arbeit des Künstlers unterscheidet da dieses Gemälde unter Einfluss von Drogen gemalt worden wäre. Dee begibt sich voller Begeisterung sich auf die Suche nach diesem Bild, so begeistert, dass sie einen großen Fehler macht: Sie erzählt ihrem Onkel, der eine Kunstgalerie besitzt sowie einer Freundin, die einen Bekannten hat der dabei ist eine weitere Galerie zu eröffnen von ihrer Entdeckung.
Und so wird Dee, welche einer vielversprechenden Spur zu diesem verschollenen Werk folgt, ihrerseits von mehreren Seiten beobachtet, und alle hoffen als erste Hand an dieses Gemälde zu legen.
Parallel zu dieser Suche entdecken wir noch einen anderen Aspekt dieser Welt: Die Künstler, die noch am Leben sind, werden oftmals „vergessen“ solange sie noch atmen und werden erst erfolgreich, wenn ihr Tod ausgesprochen wird. Was dann doch sehr ungünstig ist wenn man jung und talentiert ist und hofft von seiner Kunst leben zu können…
So beschließt Peter Usher, ein junger Maler der einen gewissen Erfolg erzielt hat aber nun von der Kunstwelt gemieden wird einen Weg zu finden um den sogenannten Kunstkennern zu beweisen, dass die nur einen Blick für ihr Bankkonto haben nicht aber für neue Talente. Mit einem Freund entscheidet er sich daher dafür, Gemälde zu fälschen…
Die Handlung ist recht …. durcheinander, denn wir folgen verschiedenen Geschichten die sich überschneiden und erneut kreuzen, Romanfiguren die hier und dort erscheinen und andern begegnen, einer Schauspielerin die drogenabhängig wird, ein junger Ehemann der sich gegen seine zu wohlhabende Frau auflehnt, die Reichen, die ihre Macht nicht hergeben wollen, die Inhaber von Galerien die unbedingt dem Publikum ihren sicheren Kunstgeschmack und Flair beweisen wollen…
Eine Vielzahl von Charakteren und Schicksalen.
Und ja, wohl doch eher sehr viel. Wie also kam der Autor zu junger Zeit damit zurecht:
Ein spannender jedoch ein wenig unvollendeter Roman:
Ken Follet hat hier ein paar „Jugendfehler“ begangen, was für alle jungen Autoren beruhigend sein sollte.
Das gibt er im übrigen im Vorwort zu diesem Roman selbst zu; er erwähnt dort, dass dieses Buch nicht dem entspricht was er ursprünglich schreiben wollte, was er dem Leser vermitteln wollte, dass das Ergebnis nicht war wie er es sich erhofft hatte. Und dennoch, trotz dieser Makel kann man schon dieses gewisse Etwas erkennen, welches sich durch die Seiten schlängelt, die teilweise vielleicht ein wenig zu… überfüllt sind.
Beginnen wir mit den Romanfiguren:
Diese sind zunächst einmal etwas zu viele. Einige werden etwas spät in die Handlung eingeführt, und dies teilweise auch unnötig, aber eines ist sicher, es sind einfach zu viele.
Zudem haben diese Charaktere nicht dieselbe Tiefe die der Autor ihnen heute gibt Er hat sich nicht die Zeit genommen sie zu beschreiben, zu schattieren, ihnen Leben einzuflößen. Wir begegnen ihnen, beobachten sie ein wenig, und vergessen sie danach. Sie haben einfach keine wirkliche Persönlichkeit.
Weiter zittert man nicht wirklich mit ihnen, auch wenn ihre Erlebnisse teilweise überraschend sind – wie das Schicksal dieser Schauspielerin, die ein aufsteigendes Sternchen von Hollywood war bevor sie die falschen Wahlen traf.
Wie beobachten sie aus der Ferne, wir leben nicht mit ihnen.
Die Handlung wirft uns von links nach rechts
Die Handlung selbst beinhaltet viele Wendungen, denen man teilweise nur schwer folgt da sie manchmal etwas unzusammenhängend sind. Doch niemals so, dass man den Faden verliert, nur fast. Eben gerade so, dass es ungemütlich wird, würde ich sagen.
Etwas ereignet sich, und schon schlüpft der Leser in die Haut einer Romanfigur die sich an einem völlig unerwarteten Ort befindet um mit vielen Nebenfiguren zu diskutieren, und dabei weiß der Leser weder wer es ist, noch wann er hierher kam, er sieht ihn und geht wieder. Genau so wie der Absatz den sie soeben gelesen haben – es fehlt an flüssigen Übergängen in der Erzählung. An Übergangskapiteln. Es fehlen ein paar Seiten mehr.
Und wieder diese „Statisten“ denen wir an jeder Straßenecke begegnen und die die Reise verwirrend gestalten auf der wir die Hauptfiguren begleiten, die ja ebenfalls schon zu zahlreich sind…
Eine teilweise noch unreife Schrift
Es ist schon seltsam einen Satz wie diesen in einem Buch von Ken Follet zu lesen (Achtung, es handelt sich hier um die Übersetzung der Übersetzung, aber die Idee, denke ich, wird klar sein): „ Die Erinnerung wollte ihr einfach nicht wiederkommen, wie ein Pfirsich aus einer Konservendose einfach nicht auf dem Tellerrand bleiben möchte und immer wieder zur Mitte zurück rutscht, was sie auch machen“.
Ich bin wirklich hoch erfreut darüber, dass Ken Follet seinen Text nicht überarbeitet hat (zumindest nicht gründlich, ich weiß jetzt nicht ob er an Details gefeilt hat), denn so kann man wahrhaftig den König der Literatur bei seinen ersten Schritten beobachten. Er hat dieselben Fehler wie alle anderen gemacht, er hat die absurdesten Metaphern gesucht, wie jeder Schriftsteller. Das ist beruhigend! Und es hat mir auch gefallen!!
Und dennoch: Ein fesselnder Roman den man in einem Zug liest!!
Wenn man ihn kennt, so kann man hier schon den Ken Follet-Stil finden, in einem ganz anderen Register (er hat diese Fähigkeit, uns in den unterschiedlichsten Literatur-Genres zu überraschen).
Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, und das obwohl ich mir schon unsicher war, nachdem ich doch eher negative Kritiken gelesen hatte.
Ich bin tatsächlich über einige der oben erwähnten Details gestolpert, aber die Seele der Schrift, das gewisse Etwas, das ist hier vorhanden, man taucht in das Milieu der Künstler ein, man verfolgt die Handlung gut und gerne. Daher ist es auch etwas bedauerlich, dass dieser Roman recht kurz ist, ein paar Kapitel mehr hätten es dem Schriftsteller ermöglicht die etwas faserigen Enden einzuflechten, alles ein wenig geradliniger aufzubauen und vor allem seine Charaktere besser auszuarbeiten.
Dies ist also ein Roman bei dessen Lektüre man Spaß hat, es ist spannend, es gibt Überraschungsmomente, die Romanfiguren sind alles andere als statisch, sie begegnen einander, wir entdecken eine neue Welt, die der Kunsthändler, die der Künstler und sogar die der Fälscher.
Wenn ich nicht gewusst hätte, dass es sich hier um einen Ken Follet handelt, hätte ich gesagt dass es sich um einen vielversprechenden Roman handelt, um einen Schriftsteller, den man im Auge halten sollte, der dieses „Etwas“ besitzt.
Wow, was bin ich genial!! Eine unglaubliche Entdeckerin neuer Talente!! Schade, das man das niemals wird überprüfen können …
Wenn Sie also diesen Roman erwerben, vergessen Sie einfach den Namen, der auf dem Cover steht und vergleichen Sie nicht, denken Sie nicht a die weiteren Romane des Autoren, dann können Sie dieses Buch richtig genießen.
Was mich dann doch zum Lächeln gebracht hat, das ist die Tatsache dass Ken Follet, der es hier immerhin gewagt hat seine Anfänger-Fehler zu offenbaren, zugegeben hat, dass er die Reaktionen schon ein wenig fürchtete, dass es unruhig war, wie dieser Roman empfangen würde. Auch die Größten haben Zweifel!!
Ich danke ihm jedenfalls dafür, dass er uns die Möglichkeit gegeben hat, diesen kleinen, sehr angenehmen Roman neu zu entdecken.
Noch eine kleine Sache: Ken Follet erwähnt, dass sich dieser Roman in einen Kriminalroman verwandelt. Das empfinde ich absolut gar nicht so. Es ist weder ein Krimi noch ein Thriller. Ja, es gibt hier Spannung, aber die Regeln der beiden Genres werden hier nicht eingehalten. Ich persönlich mache es mir einfach, ich werde ihn als „Allgemeine Literatur“ klassifizieren.
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