Kelley Armstrong – Die Nacht der Wölfin
Originaltitel: Bitten (Woman of the Otherworld, book 1)
Meine Bewertung: 7/10
Dieser Auftaktband zu einer Reihe von (bis heute) 9 Büchern (Women of the Otherworld) ist ein Buch, von dem viel geredet wird, wobei es oftmals als ‚die’ Referenz eines modernen Werwolf-Buches zitiert wird. Und nun habe ich es endlich gelesen. Man kann also sagen, dass ich gespannt war!
Es handelt sich hier tatsächlich um ein sehr gutes Buch seines Genre – und dennoch konnte ich mich da jetzt nicht so begeistern wie andere Kritiker vor mir. Vielleicht habe ich einfach zu viel erwartet?
Wie dem auch sein, dies ist das erste Buch von Kelley Armstrong, die, nach Veröffentlichung von dutzenden Romanen, ein bekannter „Bestseller“-Autor ist.
Dieses erste Buch bleibt wohl dennoch das bekannteste.
Der Plot
Im Mittelpunkt der Handlung von „Die Nacht der Wölfin“ steht Elena, eine junge Frau deren Kindheit alles andere als rosig war. Vollwaise seit ihre beiden Eltern vor ihren Augen in einem Autounfall ums Leben kamen als sie gerade einmal fünf Jahre alt war, ist sie in verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen ohne jemals ihren Platz zu finden. Das wird sicher auch der Grund sein, warum sie genau das verzweifelt sucht: Eine Familie und Stabilität.
Sie scheint dies durch ihre erste Liebe mit siebzehn Jahren auch gefunden zu haben. Doch leider wird sie von ihrem Verlobten gebissen – und dieser Biss wird ihr Leben endgültig verändern und es ihr unmöglich machen jemals das zu finden, wonach sie sich so sehr sehnt.
Denn durch diesen Biss wird Elena zum Werwolf. Sie ist die einzige weibliche Werwölfin, denn wenn schon Werwölfe allgemein selten sind, so überleben die Weibchen nur sehr selten die Verwandlung.
Und so verbring Elena also Jahre in einem Rudel, mit Jeremy, dem Alpha-Wolf Clay, dem Mann der sie liebt aber den sie zurückweist seit sie gebissen wurden, Logan, Nick, Antonio und Peter. Eine kleines, gut organsiertes Rudel.
Doch Elena wünscht sich weiterhin ein normales Leben in der menschlichen Gesellschaft, ein Leben wie sie es sich als Kind erträumt hat, und verlässt also das Rudel. Sie zieht mit Phillip zusammen, einem perfekten Mann der sie beschützt, der geduldig … und vor allen Dingen ein Mensch ist, ein Mann der ihre Launen übersieht – sie steht zum Beispiel oft nachts auf um zu laufen. Der perfekte Ehemann also.
Doch Elena hat Schwierigkeiten, ihr Leben als Mensch und ihr Leben als Wolf zu vereinbaren, denn sie muss ihre Verwandlungen immer gut organisieren wenn die diese geheim halten will. Und auch im Alltag ist ihre Wolfnatur nur sehr schwer zu bändigen.
Eines Tages, nach mehr als vierzehn Monaten, wird Elena von dem Alpha-Wolf gerufen. Sie muss nun nach Stonehaven zurückkehren, wo ihr Rudel lebt. Denn dieses wird bedroht durch Einzelgänger bedroht, die sich zu verbünden scheinen um alle einen nach dem anderen zu töten, wobei das Endziel wohl zu sein scheint das einzig lebendige Exemplar einer Wölfin zu fangen: Elena.
Die Kämpfe zwischen den Wölfen des Rudels, die vollkommen überrumpelt werden, und unvorhersehbaren Einzelgängern sind tödlich.
Elenas Loyalität wird aufs bitterste geprüft, wie auch ihre Gefühle. Auf der einen Seite wartet Phillip aus sie, der Mann denn sie will und der in der Welt der Menschen auf sie wartet, und auf der anderen Clay, dem sie durch ihre tiefste Natur verbunden ist und dem sie ein stärkerer verbunden ist, als sie dachte.
„Die Nacht der Wölfin“ ist ein äußerst gut durchdachtes Buch
Der Roman ist insbesondere da gut aufgebaut, wo er die doppelte Natur des Wolfes und des Menschen betrifft. In „Die Nacht der Wölfin“ verfolgt man nicht nur Elena, sondern ebenfalls den Wolf in den sie sich verwandelt. Dies ist eines der Bücher des Genre welches sich am stärksten, und am geschicktesten, mit der Verwandlung und den « Gefühlen » des Wolfes beschäftigt. Elena hat die Natur eines Wolfes in sich, doch wenn sie sich verwandelt greifen all ihre Instinkte über. Die Kapitel, welche Elena als Wolf verfolgen, sind ausnahmelos gelungen.
So begreifen wir auch wirklich die Sorgen des Tieres: Der Jagdinstinkt der durch eine flüchtende Beute ausgelöst wird, die Organisation des Rudels, das einzigartige Gefühl der Pfoten auf dem Waldboden, der Geruchssinn … Eine fantastische Beschreibung, man hat wirklich das Gefühl in die Haut der Wölfin Elena zu schlüpfen.
Mir hat auch die Beziehung zu Clayton gefallen. Clayton, dieser gutaussehende Rüde der Elena von ganzem Herzen liebt, der vierzehn Monate geduldig auf sie gewartet hat, fest überzeugt dass sie es ist, dass sie seine Frau ist. Er liebt sie mit solch einer Hingabe und Ehrlichkeit, dass es fast verwirrend ist, insbesondere da es Clay ist, der seine Wolfsnatur am besten akzeptiert hat, der sich damit nicht nur abfindet, sondern der dieses Leben voll und ganz als seines auslebt.
Clayton versteht nicht, warum man „so tut als ob“ man Mensch wäre. Er tut es nur aus Notwendigkeit, aber Clay, Clay ist ein Wolf.
Diese Romanfigur ist bemerkenswert gut gelungen. Man kann sich beim Lesen des Buches in Clay verlieben. Ich bin selten einem so gut beschriebenen Charakter „begegnet“, sein es nun in Wolfs- oder in Menschenform.
Ein weiterer kleiner Pluspunkt ist, dass hier der Wolf nicht im geringsten von den Mondphasen abhängt und dass weit und breit kein Vampir zu sehen ist. Es ist ein Roman, der sich auf die Werwölfe konzentriert, kein weiteres übernatürliches Wesen stört uns. Das ist wirklich sehr angenehm.
Nun, wenn dieses Buch auch wirklich sehr gelungen ist, insbesondere durch seine feinen und lebhaften Charaktere und den Blick in das Leben des Wolfes, so hatte ich dennoch den Eindruck es fehlt ihm ein wenig an Tiefe, ja sogar an Leben.
Wie ist das möglich, nach allem, was ich gerade geschrieben habe?
Dies ist ein Gesamteindruck. Das Gesamtbild hat etwas Naives. Nehmen wir zum Beispiel einmal die sexuellen Triebe, die in der wölfischen Natur liegen; Elena und Clayton fühlen sich hoffnungslos voneinander angezogen, das ist ihre Natur, das ist Instinkt und hängt nicht von ihrem Willen ab.
Aber wenn es dann ernst wird, scheint die Autorin sich zu genieren. Sie beginnt damit, uns die Leidenschaft zu beschreiben, scheint aber nicht zu wagen hier alles zu geben was ihr vorschwebt, und so erscheint dieser Aspekt fast kindisch. Und ihr Lieblingswort, welches sie bis zu vier mal auf einer Seite schreiben kann um uns diese Leidenschaft zu vermitteln, ist das Wort „climax“ (in der OV, auf Deutsch würde man „Höhepunkt“ sagen). Sie wagt es einfach nicht. Aber, warum dann damit anfangen? Wenn man geniert ist von Sex zu sprechen, dann sollte man es nicht tun, oder man beschreibt einfach die Berührungen um dann mit den ineinander verschlungenen und glücklich verausgabten Körpern zu enden, man versucht dann nicht halbherzig und zu sanft einen angeblichen Höhepunkt zu beschreiben. Das würde dann niemanden stören. Doch hier ist es einfach entweder etwas zu viel, oder eben etwas zu wenig.
So ähnlich geht es mir auch mit der globalen Handlung, die ja ausschließlich auf die Wölfe konzentriert ist, auf das Rudel und die Einzelgänger. Ich muss sagen ich finde, dass einige Punkte schon sehr viel weiter hätten gehen können – und auch sollen. Was ich meine ist Folgendes: Die Einzelgänger beginnen das Rudel auf fast spektakuläre Weise zu dezimieren, und das Rudel erscheint fast machtlos diesen Angriffen gegenüber.
Nun, da fragt man sich wo dann der Sinn liegt, einer Meute anzugehören? Man hat fast den Eindruck, dass der einzige Vorteil darin besteht mit Angehörigen der gleichen Rasse zusammen zu sein. Denn wozu sollte man sich für die Entscheidungen des Rudels interessieren, wenn dieses ohne jede Macht gegenüber fremden Wölfen ist?
Es fehlt irgendetwas, irgendeine Kraft die aus der Gruppe hervorgeht, die stärker wird wenn das Rudel zusammen ist und gemeinsam hinter dem Alpha steht. Hier hat man mehr das Gefühl, es handelt sich um eine Gruppe von Einzelpersonen. Was dann wieder eine Logik nimmt, auf der das Buch basiert.
Ja, die Bande zwischen dem Alpha und seinen Wölfen werden mehrfach erwähnt, wie auch der manchmal sogar fast telepathische Kontakt, aber hier hätte man weiter gehen müssen, auf den Unterwurf bestehen, die Hierarchie innerhalb des Rudels usw. Hier gleicht die Gehorsam dem Alpha gegenüber mehr einer menschlichen Wahl als irgend etwas Instinktivem.
Da der Roman hier eigentlich seinen Schwerpunkt hat, ist das eine wirklich schwache Stelle.
Noch ein Wort zum Schreibstil: Die Schrift ist angenehm flüssig, und denoch wurde ich nicht mitgerissen, man wird nicht mit in den Wald, nicht mit in die Gerüche gezogen, es fehlt ein Hauch „ich-weiss-nicht-was“ um aus dieser Feder eine wiedererkennenbare zu machen.
Ja, das ist es, es ist eine flüssige aber neutrale Schrift.
Ich würde den „Armstrong“-Stil in einem anderen Buch nicht wiedererkennen ohne den Autor auf dem Cover zu überprüfen.
Kurz gesagt, mir hat dieses Buch wirklich gefallen, daran kann man nicht rütteln, und ich kann dieses auch nur als „Referenzbuch“ des Werwolf-Genre zitieren, und dennoch war ich jetzt nicht überwältigt und habe mich nicht an meine Tastatur geschwungen um die nächsten Bücher der Reihe Women of the Otherworld zu bestellen.
Ich persönlich bevorzuge weiterhin Patricia Briggs „Mercy Thompson“ Reihe.
„Die Nacht der Wölfin“ ist also ein gutes, ja sogar ein sehr gutes Buch – und das ganz besonders da es sich um einen ersten Roman handelt – aber er ist dennoch nicht herausragend.
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