Jennifer Donnelly – Die Teerose

Originaltitel: The Tea Rose

Bewertung: 8/10

 

Hier haben wir mal wieder einen wirklich netten historischen Roman, der alles verbindet, was ich in dieser Art Buch gerne finde: Einen wirklichen Plot, eine Romanze, Abenteuer und Reisen. Doch vor allem handelt es sich hier natürlich um einen Roman der sich in einer längst vergangenen Epoche abspielt und es dem Leser so ermöglicht, etwas mehr über die Lebensbedingungen der damaligen Zeit zu erfahren, die wir ja nicht gekannt haben.

Der Plot:

Hier handelt es sich um das Ende des 19ten Jahrhunderts. Wir befinden uns in London, genauer gesagt in dem Arbeiterviertel Whitechapel. Hier lebt die junge Fiona Finnegan mit ihren Eltern, ihren Brüdern Charlie und Seamus sowie ihrer kleine Schwester, die noch ein Säugling ist. Sie selbst arbeitet in einer Teefabrik, ihr Vater ist ein einfacher Docker. Sie arbeiten alle hart um zu überleben, aber ihre Familie hält fest zusammen.

Trotz der großen Armut, in der sie aufwächst, ist Fiona glücklich und hat viele Zukunftsträume. Sie ist mit Joe verlobt, ihrer Kindheitsliebe, ihrem Freund und Vertrauten. Joe, der in demselben Viertel lebt, ist Straßenverkäufer und teilt die Zukunftsträume Fionas. Sie legen nun seit einem Jahr Geld beiseite und sparen, Münze um Münze, langsam in einer kleinen Kakaoschachtel an, die sie unter dem Bett verbergen. Sobald sie genug haben, werden sie einen kleinen Hanel eröffnen, einen Lebensmittelladen, und heiraten. Sie stellen sich schon genau vor, wie ihr Geschäft aussehen wird, was sie dort tun werden, wie sie ihre Ware auslegen wollen.

Die Zukunft steht ihnen offen. Ihre Liebe ist stark, ja gar körperlich.

Doch das Schicksal will es anders. Als Joe einen guten Posten annimmt, der es ihm ermöglichen wird, schneller das Geld zu ersparen, welches sie benötigen um ihren Traum zu realisieren, verführt ihn die Tochter des Chefs bei einer Karnevalsfeier und wird von ihm schwanger. Joe muss sie nun heiraten. Sein Herz bricht, aber das ist nichts im Gegensatz zu Fiona.

Die junge Frau verliert nicht nur ihren Verlobten, nein, das Schicksal nimmt ihr auch fast ihre ganze Familie innerhalb weniger Wochen und lässt sie nur mit ihrem kleinen Bruder Seamus: Ihr Vater kommt bei einem Unfall auf den Docks ums Leben, ihre Mutter wird von dem schrecklichen Jack the Ripper ermordet, den sie bei einem seiner Morde überrascht hat, ihr Baby folgt ihr ins Grab und schließlich wird auch Charlie tot aus der Themse geborgen.

Mit nur siebzehn Jahren Fiona findet sich so in der tiefsten Armut wieder, und ist dabei noch für ihren fünfjährigen Bruder verantwortlich.

Als sie sich darum bemüht, eine Entschädigung für den Tod ihres Vaters bei Burton, dem Unternehmen, welches ihn beschäftigte, zu erhalten, hört sie durch Zufall ein vertrauliches Gespräch und nun will der mächtigste Mann Londons ihren Tod, wozu er Killer auf sie ansetzt.

Fiona, vollkommen mittel- und hilflos, bleibt nur eine einzige Möglichkeit: London verlassen.

Irgendwo in Amerika, in New York, lebt der Bruder ihres verstorbenen Vaters, dorthin will sie nun gehen, mit ihm wird sie leben.

Mit ihrem kleinen Bruder, gebrochenen Herzen und Tränen in den Augen besteigt sie nun das erste Schiff.

Doch als sie ihr Ziel erreicht, findet sie den Lebensmittelladen ihres Onkels geschlossen vor.

Die Frau ihres Onkel Michael ist verstorben, was diesen in den Alkohol getrieben hat, und der kleine Laden soll nun versteigert werden. Fiona letzte Hoffnung löst sich ins Nichts auf.

Und dennoch schwört sie sich, dass sie eines Tages nach England zurückkehren wird und sich dann an dem reichen Besitzer rächen wird der ihre Familie zerstört hat. Die Liebe, darauf verzichtet sie nun, sie wird niemals einen anderen Mann als Joe lieben können. Aber so schnell wird sie nicht aufgeben!

Doch wie kann sie hier überlebe, in einem fremden Land, ohne Geld, ohne Illusionen, nachdem selbst die Liebe ihren Armen entrissen wurde? Wie kann sie ihr Ziel erreichen?

Was kann ich jetzt noch sagen?

Jennifer Donnelly liefert uns Fionas Geschichte liebevoll und mit Freude am Detail. Ohne, dass wir dies bemerken, wenden wir die weit über 800 Seiten (im Taschenbuchformat), so werden wir von der Handlung und Fionas Kampf gegen das Schicksal mitgerissen.

Die junge Frau ist mutig, sie gibt nie auf, und sei es auch nur für ihren kleinen Bruder Seamus. Wenn es keine Hoffnung mehr gibt, richtet sie sich dennoch auf und geht weiter.

Die Teerose („The Tea Rose“ in der OV) lässt uns an einem spannenden Abenteuer teilhaben, das Abenteuer einer jungen, unabhängigen Frau, die sich von den Prüfungen des Lebens nicht niederdrücken lässt sondern durch diese nur stärker wird.

Der Schreibstil ist locker und flüssig, sehr angenehm zu lesen, wir können uns sehr leicht die Familien vorstellen, wie sie sich in ihrer Armut durchkämpfen um noch etwas zu finden was es ihnen ermöglicht die letzte alte Jacke zu flicken, während die Reichen sich selbstgefällig im Luxus wälzen. Diese Kluft, die die reichen Eigentümer von den Arbeitern trennt ist unendlich tief, aber ein gutes Herz kann man auf beiden Seiten finden.

Wenn auch eine gewisse Naivität aus den Linien spricht, wenn auch der Aufstieg Fionas etwas zu einfach und sogar unrealistisch erscheint, so stört das in nichts die Reise die wir in ihrer Gegenwart unternehmen.

Wir kommen dieser jungen Frau immer näher und leiden mit ihr. Und dann all diese verpassten Gelegenheiten Joe wiederzutreffen! Diese beiden Seelen, die einander bestimmt sind und sich dennoch nie begegnen können.

Als ich mich in dieses Buch vertiefte, bin ich auch in die Welt von dem Jahrhundertende getaucht, ich habe Fiona in ihrem Teeunternehmen begleitet, ich habe sie beobachtet, wie sie die Tricks der Börse erlernte, habe gesehen wie sie heranwuchs ohne je ihr Herz oder ihre Überzeugungen zu verraten, auch wenn die Loyalität so manch großes Opfer verlangt.

Von Beginn an kann man sich den Verlauf der Handlung vorstellen, es ist also weniger die Spannung, die einem zum Blättern der Seiten verführt, als vielmehr die Sanftheit der Geschichte und die faszinierende Entwicklung der Romanheldin.

Dies ist ein Buch, welches ich allen Lesern, die gerne historische Romane (besonders die des 19ten Jahrhunderts) lesen, ans Herz legen. Lassen Sie sich nicht von der Länge abschrecken, das ist nur ein äußerer Schein.

Man langweilt sich hier keinen einzigen Moment und der Lesespaß bleibt bis zum Schluss intakt.

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