Carolyn Jess-Cooke – Tagebuch eines Engels
Originaltitel: The Guardian Angel’s Journal
Meine Bewertung: 7,5/10
Das „Tagebuch eines Engels“ hat mein Auge auf sich gezogen – und hat mich nicht enttäuscht.
Der Plot:
„Tagebuch eines Engels“ ist ein phantastischer Roman, dessen Plot mehr als vielversprechend ist: Wie der Titel es schon erraten lässt, werden wir hier einem Schutzengel auf seine erste Mission folgen.
Und was für eine Mission! Der zu Beschützende, den man Ruth anvertraut, die nach ihrem Erdentot zum Schutzengel wurde, ist niemand anders als sie selbst!
Das grundlegende Postulat ist hier, dass für Engel die Zeit nicht existiert, dass die Vergangenheit nicht die Vergangenheit ist, sondern auch die Gegenwart sein kann; somit ist dieser heikle und delikate Auftrag also möglich.
Denn ja, es ist ein heikler und delikater Auftrag, denn das Leben, welches die kleine Margot erwartet – dies ist der Name den Ruth trug – ist hart, und das von Geburt an: Ihre Mutter, ein Junkie, stirbt bei der Geburt und der Vater, der vollkommen zugedröhnt ist, wird aus ihrem Leben gedrängt. Doch sie hat das Glück, adoptiert zu werden… nur dass ihre Adoptiveltern beide in dramatischen Umständen ums Leben kommen. Von hier an wird es ein Absturz in die Hölle für das kleine Mädchen: Eine Pflegefamilie, die sie vor der Tür eines Waisenhauses absetzt, acht lange Jahre in einem Institut, welches von einer Direktorin verwaltet wird, die den Kindern die ihr anvertraut werden auf die schlimmste Art misshandelt, schreckliche Strafen die das Mädchen für ihr Leben schädigen, worauf eine Alkohol- und Drogenabhängigkeit folgt, eine Unfähigkeit sich selbst zu lieben…. Ein Leben, welches niemand ein zweites Mal erleben möchte.
Ruth steht nun vor einer schier unbezwingbaren Aufgabe. Denn ihre Arbeit ist keinesfalls, die Dinge zu ändern, sondern nur zu schützen und zu lieben. Natürlich wird Ruth versuchen in die Wahlen derjenigen einzugreifen die sie einmal war, doch unmöglich, es ist tatsächlich Margot, die das Steuer in der Hand hält. Sie kann nur versuchen das Schlimmste abzuwenden und die Schmerzen zu lindern.
So muss Ruth nun erneut die schrecklichsten Momente ihres Lebens erleben, wissend, wie es ausgeht. Auch wenn dies nicht ihre Rolle ist, so wird sie in keinem Moment ihr Ziel aus den Augen verlieren: Margots Leben verändern – aber auch das ihres Sohnes Theo.
Denn wenn Margot mit Ende dreißig verstirbt (um dann Ruth zu werden), so ist dies kurz nachdem ihr Sohn für Mord zu Lebenslänglich verurteilt wird. Und dies ist das Schicksal, welches Ruth sich zu verhindern schwört: Sie wird ihren einzigen Sohn retten.
Doch wie sehr sie sich auch bemüht, Ruth wird immer und immer wieder mit demselben Ergebnis konfrontiert – es ist unmöglich das Schicksal zu beugen.
So folgen wir ihr, wie sie verzweifelt versucht Margot zu beeinflussen, die noch einmal genau dieselben schlechten Wahlen trifft.
Schlimmer noch, Ruth muss schnell erfahren, dass die Schutzengel nicht die einzigen sind, die die Menschen beeinflussen – auch die Dämonen sind niemals weit.
Ein angenehmer Roman mit wirklich bewegenden Momenten
Ich werde Ihnen gleich jetzt sagen, was mich an dem Konzept gestört hat, so habe ich das dann hinter mir und ich kann Ihnen meine Analyse entspannter darlegen: Wenn Ruth Margot wäre, dann hätte ja ihre Seele deren sterblichen Körper verlassen um sich in einen Engel zu verwandeln. Wie also kann eine „andere“ Margot zugleich existieren, selbst dann, wenn die Zeit nicht von Belang ist? Die Seele kann sich Raum und Zeit nicht teilen, oder?! Oder ist es eine andere Seele in ihrem Körper, aber dann wäre es ja nicht Margot?!
Das hat mich einfach gestört, aber irgendwann habe ich es dann einfach so genommen wie es ist und habe dann den Roman gerne weitergelesen.
Denn das lohnt sich wirklich!
Die Tatsache, dass trotz aller BemÜhungen von Ruth, was sie auch versuchen mag, die Wege immer wieder auf dieselbe Strasse einbiegen, dass es ihr einfach nicht gelingt, Margot zu ersparen dieselben ausschlaggebenden Ereignisse zu erleben, selbst wenn die Umstände sich verändern, das hat mir richtig gut gefallen. Sie bringt Margot kurz von ihrem Pfad ab – doch diese kommt immer wieder auf den Lebensweg zurück der ihr vorgelegt wurde.
Ebenso haben Ruths Zweifel, ihre Mutterliebe zu Theo, ihre Empfindsamkeit, der neue Blick den sie nun auf ihr Leben wirft, die Figur des Schutzengels überzeugend belebt.
Auch die Interaktion zwischen den Schutzengeln ist glaubhaft, manchmal erheiternd, und die Tatsache, dass immer eine Verbindung zwischen dem Beschützten und dem Schutzengel besteht ist rührend.
Selbst Action-Szenen fehlen hier nicht, denn die Engel bekämpfen regelmäßig die Dämonen, die schlechten Einflüsse auf das Leben der Menschen.
Kurzum, es handelt sich hier um einen guten Roman, angenehm und unterhaltsam, mit farbigen Charakteren, einer originellen Handlung und einem überzeugenden Ende.
Ich musste mich erst ein wenig an den Schreibstil der Autorin gewöhnen; es hat zwei oder drei Kapitel gedauert, bis ich wirklich begann die Feder von Carolyn Jess-Cooke zu genießen, die ihre eigene, feste Persönlichkeit besitzt, was vei einem ersten Roman recht selten ist.
Ihr Stil ist kurz und bündig, manchmal fast ungestüm. Aber trotz einer gewissen…Trockenheit ist er schließlich angenehm und kann stolz seinen eigenen Schliff tragen.
Dies ist also ein origineller Roman, der eine angenehme Lektüre verspricht.
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