Arlette Cousture – Blanche

Originaltitel: Blanche (Les Filles de Caleb, tome 2)

Meine Bewertung:  7,5/10

Dieser zweite Band der Trilogie „Die Töchter des Caleb“ (Les filles de Caleb in der Originalfassung) hat mir ein wenig besser gefallen als der erste Band; ich denke, das liegt daran, dass die Autorin diesmal tatsächlich schwierigere Situationen in die Handlung eingeflochten hat statt diese nur wie ein geschehenes Drama oder ein erfahrener Verlust zu erwähnen. Nein, diesmal entziffert sie die Gefühle und Reaktionen der Einen und Anderen.

 

Der Plot:

Wenn man den Titel liest, dann ist man zunächst einmal überrascht nachdem man den Roman beginnt, denn das erste Drittel des dreht sich nicht um Blanche sondern um Emilie. Tatsächlich haben wir hier die Fortsetzung des ersten Bandes und in meinen Augen stellt das erste Drittel des Buches sogar den Höhepunkt des vorhergegangenen Romans „Emilie“ dar: Wir gewinnen einen tieferen Einblick in die Gedanken einer nun älteren Emilie, wir sehen Dinge, die sie bedauert, Freunde, auf die sie neidisch ist, ja manchmal überträgt sich der Neid sogar auf ihre Kinder, wir fühlen ihre Zerrissenheit zwischen der Sehnsucht ihre Kinder bei sich zu behalten und der Notwendigkeit, sie gehen zu lassen. Vor allem aber trägt sie immer und überall eines mit sich herum: Das schreckliche Bedauern der verlorenen Liebe, die große Liebe für Oliva. Diese Liebe ist verloren und dennoch immer noch tief in ihr verankert.  

Es ist tatsächlich dieses erste Drittel, welches mich dazu verleitet hat diesem Band eine höhere Bewertung zu geben als dem ersten. Denn danach rutscht alles wieder eine kleine Stufe hinunter in einen Roman Typ „7“ (nein, ich weiß selbst nicht was das bedeutet, aber das klang irgendwie gut).

Nach diesem ersten Drittel begleitet der Leser dann, nach einem sanften Übergang, Blanche, Emilies Tochter, welche ihr Leben fortführt.

Blanche ist das Gegenteil von ihrer Mutter: Da wo ihre Mutter überschwänglich ist, redet, Witze macht, lebt, protestiert, da ist Blanche ruhig, überlegt und kontrolliert.

Blanche beschwert sich nicht, sie verlangt nichts, sie erträgt und kämpft in aller Stille.

Was sie sich wirklich wünscht, das ist kein Ehemann. Nein, sie möchte Arzt werden. Studieren. Durch sich selbst bestehen. Ohne es zu wissen, ist sie eine moderne Frau die der es nach Gleichberechtigung verlangt. Man hat den Eindruck als sei sie sich dessen nicht im Geringsten bewusst, es ist einfach so dass sie den Wunsch hat so zu leben und es sich keinesfalls um einen Status handelt den sie verlangen möchte. Man kann sie auf keinen Fall als „Emanze“ oder „Feministin“ beschreiben.

Doch Blanche ist arm, und das Medizinstudium lang und teuer… Wird sie sich damit abfinden können, eine einfache Sekretärin zu sein? Unter dem Befehl eines weniger gebildeten Mannes zu arbeiten?

Blanche sucht sich selbst, sie zweifelt, sie versucht ihren Traum zu vergessen.

Und endlich findet sie ihren Weg, den, der sie ihrem wirklichen Ziel so nahe wie möglich bringen wird: Sie wird Krankenschwester. Doch die Bitterkeit auf ein Medizinstudium verzichten zu müssen wird sie nie ganz verlassen.

Während ihrer Ausbildung zur Krankenschwester lernt sie ihre erste wirkliche Freundin kennen: Marie-Louise.

Während Blanche ihre Laufbahn tapfer verfolgt beobachten wir auch ihre Familie, ihre Brüder und Schwestern, die vollbringen was sie sich vornehmen, krank werden, Kinder kriegen…

Emilies Familie, die diese so sehr vereint sehen wollte nachdem Ovila aus ihrem Leben ging, bricht auseinander, die Brüder und Schwestern verteilen sich über die ganz Weite Kanadas um sich schließlich mehr zufällig als wissentlich, um Montreal und Abitibi wieder zu vereinen.

 

Eine Saga, die an Weite gewinnt:

Mit „Blanche“, gewinnt die Familiensage der „Töchter des Caleb“ an Tiefe und Weite. Eine recht logische Entwicklung, bei neun Kindern!

Wie Sie es sicher aus diesen Zeilen herauslesen, hat mich dieser zweite Band beeindruckt. Der erste hatte mich mit einem guten Gefühl verlassen, während dieser zweite mich teilweise tief berührt hat.

Die hier ausgedrückten Gefühle, die im ersten Buch gut gehütet vor uns verborgen wurden, liegen hier offen.

Die Handlung selbst überrascht nicht, es ist ein Teil der Lebensgeschichte von Blanche (und auch Emilie), ein Leben, das wir hätten leben können. Tragödien, Glücksmomente, Unfälle, erstaunliche Erlebnisse, ausschlaggebende Ereignisse…. hier findet man alles. Das ganze ist natürlich romangerecht verarbeitet, Tragisches erscheint tragischer, aber insgesamt ist Blanches Leben das einer Frau, die es wagt ins Ungewisse zu treten Es schien mir recht realistisch und nicht aus den Fingern gesaugt.

Da, wo ihre Mutter stehenbleigen musste hat Blanche die Möglichkeit weiterzugehen, und sie tut es auch. Dies ist im Übrigen auch der Kontrast zwischen den beiden Büchern, die dem Gesamtwerk seine Farbe verleiht.

Blanche will es, sie klammert sich an ihren Traum, sieht eine Türe die sich öffnet und stösst sie weit auf. Emilie dagegen wird zurück gelassen, hinter der unüberwindbaren Mauer der Anstandsregeln, des Geldes, der Gesellschaft, und sie wird das ganze Buch über versuchen den Verlust ihrer Träume zu verarbeiten.

Ich glaube, dass ich immer noch mehr an Emilie hänge als an Blanche, und dass die Mutter mich mehr als ihre Tochter zum erzittern, kichern oder weinen gebracht hat.

Und dann habe ich noch eine Bemerkung zu machen, die auch auf den ersten Band zutrifft: Es handelt sich hier um ein Buch für Frauen. Männer werden es wohl kaum zu schätzen wissen.

Sie können schon diese Gefühle des Unverständnisses und der Ungerechtigkeit nicht erfassen, die in der weiblichen Natur liegen, unseren Zorn und unsere Bitterkeit gegenüber Männern die so unglaublich überzeugt davon sind überlegen zu sein.

Und noch einmal beweist das schwache Geschlecht, dass eigentlich stärker ist: Die Frauen geben nie auf, sie flüchten nicht.

Dies wird mit diesem zweiten Buch klar, und man kann sagen, dass Arlette Cousture und ich uns hier einig sind: Die Männer flüchten wo die Frau nicht aufgibt und durchhält, einfach weil sie es muss, weil sie die Kraft dazu besitzt und weil sie eben oftmals nicht die Wahl hat.

Die Männer dagegen… Eine verlorene Liebe? Nun, dann werden sie eben Priester. Eine Schwiderigkeit auf dem langen Weg des Lebens? Nun, dann laufen wir weg und lassen Frau und Kinder hinter uns. Eine körperliche Schwäche? Ja, dann hören wir auf zu leben und überleben nur noch.

Dies alles wird nicht so offen ausgedrückt, aber man spürt es stark wenn man dieses zweite Buch gelesen hat: Die wirkliche Helden, das sind die Frauen. Ein wenig wie im wirklichen Leben.

Nun wollen wir mal sehen, was uns der dritte Band so bringt, „Elise“…

 

Die Bücher der Trilogie :

  1. Emilie
  2. Blanche
  3. Elise
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