Pierre Borromée – L’Hermine était pourpre

 

Originaltitel: L’Hermine était pourpre

Meine Bewertung: 7,5/10

 

Dieses Buch, dessen Titel man wörtlich mit « Der Hermelin* war purpurn » übersetzen könnte, ist ein sehr gelungener « Justiz- » Kriminalroman, der mit Talent verfasst wurde.

Der Plot :

Der schrecklich entstellte Leichnam einer Frau wird in deren Wohnung aufgefunden. Es handelt sich um Juliette Robin, der Frau eines Rechtsanwalts. Die Untersuchung ist äußerst sensibel, da es sich um die Ehefrau eines Mitglieds der Anwaltskammer handelt und diese somit eng mit der Justiz und dem Gerichtswesen zusammenhängt.

Der Fall wird Kommissar Baudry anvertraut, welcher versucht Licht in diese dunkle Affäre zu bringen. Als Untersuchungsrichter wird Tricard ernannt, ein Richter der für seine sehr einseitige Ermittlungsmethoden bekannt ist, da er diese immer in die Richtung eines Verdächtigen lenkt um diesen so schnell wie möglich vor das Schwurgericht (oder, bei weniger schlimmen Delikten, die Strafkammer) zu bringen, womit er fast offen das wichtigste Prinzip einer Untersuchung missachtet, welches verlangt dass zu Lasten aber auch zur Entlastung ermittelt wird. Der Staatsanwalt wird Meunier sein, ein ehrgeiziger aber ebenso fähiger Mann.

Der erste Verdacht fällt natürlich auf den Ehemann des Opfers, Maître** Robin, welcher ein sehr seltsames Verhalten an den Tag legt. Er stellt für den Richter Tricard ein perfektes Ziel dar.

Als er die Gefahr erkennt, in der einer seiner Kollegen schwebt den er unschuldig glaubt, oder auf dessen Unschuld er hofft, beschließt Maître Dornier, der Präsident der Anwaltskammer, selbst die Verteidigung zu übernehmen und bestellt sich somit selbst als Pflichtverteidiger.

Denn wenn der vorsitzende Richter Tricard auch glaubt, seinen Schuldigen gefunden zu haben, so zweifeln Kommissar Baudry und Bâtonnier*** Dornier an der Schuld von Maître Robin und suchen nach anderen möglichen Tathergängen, wobei sie (mehr oder weniger) die Hilfe der Mitarbeiterin des Beschuldigten und die des Mitarbeiters von Bâtonnier Dornier erhalten.

Dieser Fall wird wohl kompliziert für die Verteidigung, denn nicht nur der Richter Tricard sondern auch der Staatsanwalt möchten so bald wie möglich einen Schuldigen vor das Schwurgericht stellen, wobei sie die Unschuldsvermutung vergessen oder einfach übersehen zu scheinen. Denn wenn sie den Täter schnell überführen, kann das ihrer Karriere nur gut tun.

Damit habe ich nun die zentralen Romanfiguren vorgestellt, die wir in diesem Buch antreffen werden, welches von einem Autor verfasst wurde der die Gerichts- und Verfahrenswelt in den kleinsten Details kennt, das spürt man in jeder Linie. Die kleinen Gesten, die Gewohnheitens eines Justizpalastes, die Atmosphäre in den Gerichtskanzleien … Es war für mich persönliche eine grosse Freunde wieder durch die Gänge der Ermittlungsrichter zu schreiten, mir die Anwälte vorzustellen, wie sie, Talar unter dem Arm, von einem Gerichtssaal zum anderen eilen, die Mitarbeiter zu beobachten, wie sie ununterbrochen rennen, die Anwaltsbriefkästen leeren ….. (ja, auch ich habe mich einst alltäglich in diesen Orten aufgehalten, mit dem Talar unter dem Arm, durch den Justizpalast eilend).

Eine naturgetreu beschriebene Stimmung, eine Stimmung sich wohl in allen Justizpalästen (zumindest französischen Justizgebäuden) wiederfindet.

Eine „Gerichts“-Stimmung, die mit Talent in Szene gesetzt wird

Ich kann dem Autoren nur zu seiner gelungenen Beschreibung dieser Justiz-Welt gratulieren.

Was mir nun besonders gefallen hat, das war dieser trockene Humor, den Pierre Borromée in seine Schrift einfließen lässt. Er ist kaum spürbar, aber es ist offensichtlich, dass Pierre Borromée hier seine Persönlichkeit durch seine Feder wiedergibt.

Den Handlungsverlauf verfolgen wir durch das Drehen der Räder der Justiz, die Anwälte, die Polizei und selbst die Medien. Dieser ist sehr angenehm, mit ein paar falschen Pisten, die allerdings ein wenig subtiler hätten sein können. Mir hat es hier ein wenig an Tiefe gefehlt, die Ermittlung selbst schien mir etwas zu einfach und auch etwas zu klassisch.

Vielleicht wäre es interessant gewesen, manchen Aspekten ein wenig weiter zu folgen? Da ist zum Beispiel dieser junge Zigeuner, hier hätte man noch einiges zu sagen können, auch was die Verfahrensordnung angeht. Einen Einblick in das Leben der jungen Marie-Christine Luce, Maître Robins Mitarbeiterin, hätte auch einiges beitragen können. Ich hätte gerne mehr über diese Kämpferin hinter ihrem zerbrechlichen Erscheinungsbild erfahren. Man hätte sie zeigen können, wie sie von einem Gerichtstermin zum anderen hetzt, wie sie allgemein ihrer Arbeit als Mitarbeiterin und Anwältin nachgeht, sie wild in ihren Akten blättern zu sehen, all dies hätte uns dieser jungen Frau näher bringen können, denn sie schien ja wirklich sympathisch und kompetent zu sein.

Denn es blieb noch Raum in diesem Roman, den man ganz klar hätte verlängern können, ich persönlich hätte nichts gegen ein paar Seiten mehr gehabt (wenn dieser Roman auch, in seinem aktuellen, von mir gelesenen Taschenbuchformat 378 Seiten erreicht so ist dies täuschend, denn die Police ist sehr groß ; ich denke, dass derselbe Roman im gleichen Format aber mit einem klassischeren Druck keine 300 Seiten erreichen würde).

Eines ist sicher, ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass es sich hier um einen ersten Roman handelt. Er ist äußerst logisch, gut aufgebaut, der Plot wird flüssig erzählt, ist leicht zu verfolgen und das trotz der kleinen Schwäche was die Geschichte selbst angeht.

L’hermine était pourpre“ ist wirklich eine kleine Perle unter den Gerichtromanen.

Ich hoffe sehr, den Autor schon bald in derselben Sparte wiederzusehen!

 

*Der Titel (L’hermine était pourpre, d.h. Der Hermelin war purpurn) bezieht sich auf die Talare in Frankreich, die mit einem doppelten Stoffband verziert sind, deren Ende oftmals mit Hermelinpelz verziert ist (wobei es selbstverständlich auch die Kunstpelzvariante gibt, die ich persönlich immer vorgezogen habe).

** „Maître“ ist ein Titel, den die Rechtsanwälte in Frankreich tragen und mit dem sie angesprochen werden.

*** Bâtonnier: Präsident der Anwaltskammer, wird auch als Titel benutzt (man sagt „Bonjour, Monsieur le Bâtonnier“, und der Titel bleibt lebenslang)

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